Wenn man den Aufführungsraum des Südufers betritt, sitzen dort schon fünf Tänzer*innen in einer Reihe von sechs Hockern. Sie richten den Blick ins Publikum und erzeugen eine Situation, in der sich die Zuschauer*innen direkt angeschaut fühlen. Es scheint, als nehmen sie unmittelbar Blickkontakt mit den Zuschauer*innen auf. Haarscharf und hautnah treffen so die Blicke von Liese Demol, Tina Gläser, Katharina Gonska, Marie Liebler und Carla Zoe Stillger auf die Zuschauenden. Unaufgeregt sitzen sie in alltäglichen Posen auf den Hockern, einer bleibt verweist. Allmählich ist ein Zucken in den Gesichtern bemerkbar, das sich immer mehr zu einem Grimassenschneiden ausweitet – so weit, bis die Tänzer*innen plötzlich in einer Pose verharren. Urkomisch und ulkig sehen sie aus, bevor sich einige Tänzer*innen alsbald zur Seite fallen lassen und von den anderen mit den Händen an den Köpfen gehalten werden, um weiterhin, die Hocker zu tauschen, andere Plätze einzunehmen und um schließlich die Hocker im Raum zu verteilen.
„Zwischen Tick und Tack“ – so der Titel – bewegen sich die Tänzer*innen zwischen Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit und setzen sich dabei mit dem Dazwischen auseinander: So unterbrechen sie nicht nur das Warten auf den Stühlen sitzend mit Grimassen und fallenden Körpern, sondern auch die Zwischenräume der späterhin im Raum verteilten Hocker. Auf und neben dem Sitzmöbel erinnern ihre virtuos vollendeten Bewegungen vielfältigen Möglichkeiten des Sitzens und Fallens zugleich. Die choreografierten Bewegungen erscheinen nicht streng, sondern spielerisch, wenn die Regelmäßigkeit des Bewegungsmaterials mit eigenen Unregelmäßigkeiten des Materials unterbrochen wird. Dies gilt auch für die Grenzverschiebungen eines bewegten und bekleideten Körpers, indem ein aus elastischem Material bestehender und von einer Tänzer*in getragener Pullover so an den Ärmeln gezogen wird, dass die anatomischen Arme scheinbar länger werden und gleichzeitig die Bewegungen eingeengter erscheinen. Indem die Tänzer*innen immer wieder die Zwischenräume ausloten – zwischen einem gemeinsamen und einem alleinigen Bewegen sowie zwischen der Bühnenfläche der Hocker und deren Sitzfläche sowie auch zwischen einer gemeinsam getanzten Choreografie und den einzeln anders getanzten Schnipseln der Choreografie – reflektieren sie Möglichkeiten des Miteinanders und des Wartens. „Worauf? Wie lange?“ Vielleicht auf die singulären Momente des Ausbrechens und die synchronen Augenblicke des Ankommens – beides würde man gerne noch länger beobachten, so dass das Warten, egal worauf, sich für die Betrachter*innen zwischen all den vielen Möglichkeiten noch lange hinziehen möge.