tanzwuchs#8 Okt 2024

by: Jutta Krauß

Kleine Steine nennt man Kies, Schotter oder Sand

In dem Stück „( )“ sitzen zu Beginn die drei Tänzer*innen Anne Kugener, Miriam Seifert und Yifeng Wang mit geschlossenen Augen nebeneinander auf der Bühnenfläche. Ihre Hände sind zu kleinen Hohlkörpern geformt, in deren Innenraum sich Kieselsteine befinden. Verweisen die geschlossenen Augen dabei auf das Schärfen des Gehörsinns? Wird die „sichtbar gemachte Stille“, so der Text auf dem Programmzettel, durch das Reiben der Steine aneinander veranschaulicht? Und was hören die Tänzer*innen, während sie sitzen und in der Nähe ihrer Gesichtsfelder Steine aneinanderreiben? Sind die in den Händen gehaltenen Steine das Initial dieser Performance oder die Hände selbst? Allmählich fallen diese aus den Handhöhlen auf die Fläche des Bühnenbodens. Es folgen kleine Gesten. Es mutet an, als würden die Gesten die Laute, der fallenden Steine, ersetzen und die Hände nun stille Worte formen. Hör- und lesbar sind die Gesten nicht. Die gemachten spezifischen Erfahrungen der drei Tänzer*innen – so scheint es – artikulieren sich künstlerisch in einem beginnenden Reiben der Steine, in einem Herausfallen der Steine und in Gesten, die vielleicht ihre Sinneserfahrungen ausdrücken, erinnern oder kommunizieren. Die Tänzer*innen eröffnen späterhin einen szenischen Raum, indem jede* für sich oder zusammentreffend, bedächtig über die Körpermitte über die Bühnenfläche rollt. Möglicherweise besinnen sie sich nachdenklich ihres Forschungsprozesses und richten ihre Überlegungen auf das Problem, die Stille hörbar zu machen. Orientierung hinsichtlich ihrer Frage erhalten sie offenbar durch ihre geschlossenen Augen, durch das Gestikulieren im Raum und das Erzeugen eines vermeintlich schwebenden Körpers. Die frei in der Luft gehaltenen Arme und Beine ruhen in der Körpermitte, die alles hält – mühelos scheinen ihre Sinneswahrnehmungen die Körper in Bewegung zu versetzen. Alsbald sitzen die drei wieder nebeneinander. Dort, in einer Linie sitzend, scheint die performative Erkundung des Lauschens sich noch einmal leise in Gesten gekleidet auszudrücken. Mit den Armen und Händen zeichnen sie unterschiedliche, bewegte Linien in den Raum. Sichtbar – vielleicht auch lesbar – schreiben sie damit möglicherweise ihre Mitteilungen in den Raum. Sind es ihre Beobachtungen, Eindrücke und Hypothesen? Die ausgesparte Klammer, welche der Titel des Stücks ist und welche vielleicht auf die Stille verweisen vermag, füllt sich in diesem Moment mit Gesten, die möglicherweise innere Haltungen auszudrücken vermögen oder die sich als lautlose Kommunikation deuten lassen oder die als Handbewegungen, welche Gesten bedeuten könnten, in den Raum greifen. Gefühlsbetont geben sich die Tänzer*innen ihrer Erkundung hin. Ohne eine Spur von Beliebigkeit bewegen sich die Steine und die Körper eher gleichförmig als verdichtet, eher gefühlsselig als dichterisch kraftvoll. Trotz der sparsamen und sehr genau erfolgenden Bewegungen, finden Stille und Laute nicht verdichtet zueinander.