Ein permanenter Zustand aus Entstehung, doch dann schon wieder weg, die geschürten Erwartungen nach Stetigkeit zerstört. Mit „a landscape of time“ kreieren Tamora Dinklage, YeoJin Kim, Leonie Stöckle ein beeindruckendes Paradebeispiel für Choreographien, die ein Publikum verzweifelt nach Narration suchen und deswegen fast die Schönheit des Moments verpassen lässt. Versteht doch bitte: Es wird nichts, obwohl da gerade was war. Es ist einfach.
Einzelne abgespreizte Körperteile ragen in die Höhe. Angestrahlt von einer kleinen LED-Leiste entsteht große Poesie. Die menschliche Masse angedockt an den Boden scheint tief mit ihm verwoben zu sein. Dass dort drei Körper liegen, ist einem bewusst. Trotzdem schauen wir auf eine massive Naturlandschaft; aus meiner Sicht zumindest. Der beobachtende Blick fährt die Umrisse ab, erwartet eine potenzielle Bewegung. Doch da ist erst einmal keine menschliche Regung wahrzunehmen, eher Gestein. Von wegen Entstehung. Sobald dann doch etwas zuckt, muss überprüft werden, ob einem die eigenen Sinne einen Streich spielen oder tatsächlich etwas in Bewegung gekommen ist. Kurzes wegschauen und erneutes hinschauen bestätigen eine Veränderung. Sobald die Landschaft sich im Raum bewegt, wird sich menschlich, als ob sie eben doch ein Ziel verfolgt.
Generell vermag die Choreographie das Zeit-Raum-Kontinuum außer Kraft zu setzen. In einem Moment scheinen die Körper und somit die Zeit still zu stehen und im nächsten ist das komplette Geschehen wie im Zeitraffer an einem vorbeigezogen. Kein Wunder entsteht beim Publikum eine Sehnsucht sich an einem Narrativ festhalten zu wollen. Potenzieller Halt bieten einzelne Töne, die sich nachvollziehbar aufeinanderstapeln. Doch im Verlauf werden die sich wiederholenden Synthesizer-Klänge dumpf und das Bewusstsein verliert sich endgültig in Raum und Zeit. Die drei Körper sind zu drei Teilchen geworden, die sich auf dem Boden winden als wäre es sich fortbewegende Materie, dass nicht sehen kann, sondern nur noch fühlt. Ich schaue konzentriert hin und doch verschwindet es vor meinem Auge, ich schaue auf ein Außen und doch bin ich ganz bei mir drinnen, ein Genuss stellt sich ein. Bewegung als geführte Meditation.
Und obwohl alles, wahrscheinlich unter höchster körperlicher Anstrengung, in ein zartes Fließen gebracht wird, ruckelt es ab und zu, kreiert ein Störbild, verweist die Zeit in ihre Schranken und holt einen mit der Wahrnehmung zurück in die Realität. Plötzlich tauchen wieder Gesichter zwischen der Landschaft auf, die absolut menschlich einer Bewegung nachfühlen. Zuvor nicht berührt, fließen die drei Organismen ineinander, sogar übereinander zu einem Turm. Die Zeit wächst nach oben. Dabei geht das Licht fließend aus, die Bewegungen fließen weiter, noch nicht im Endzustand angekommen, vielleicht werden sie das niemals. Es entsteht, bleibt nur kurz, war nie da und doch ist alles anders; zumindest in einem drin.